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Meißner hautnah – franca

Meißner hautnah ist eine Interviewreihe in der wir Menschen zu Wort kommen lassen die auf unterschiedliche Art und Weise mit dem 100-jährigen Jubiläum des Freideutschen Jugendtags auf dem Hohen Meißner in Verbindung stehen. Meißner hautnah soll einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen und persönliche Geschichten festhalten, ganz nah dran und so vielfältig wie die Menschen und ihre Bünde.

Im ersten Teil erscheint heute ein Interview mit franca, die als Mitglied des Koordinationskreises in den vergangenen fünf Jahren die Vorbereitungstreffen zur Organisation des Meißner-Lagers 2013 moderiert hat.

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Ich kenne franca seit bestimmt sechs oder sieben Jahren. Unsere erste Begegnung muss irgendwann bei einem Treffen zur Vorbereitung auf den Kirchentag gewesen sein als wir uns, rein zufällig, ein Zimmer in einer kölner Jugendherberge teilten. Das war für lange Zeit alles. Seit zwei Jahren treffen wir uns regelmäßig zur Singerunde in einer kölner Kneipe, oder zum Kicken im Park. Da war franca schon für mich unter anderem die, die beim Meißner mit organisiert und natürlich ist Meißner 2013 häufig ein Thema am Rande unserer Gespräche. Eines von diesen Themen die immer wieder im Raum schweben, die man als selbstverständlich hinnimmt, aber über die man aber nie so richtig spricht.

Zeit also das zu ändern. Ich will wissen wie es eigentlich dazu gekommen ist, dass franca in der Vorbereitung des Meißner 2013 eine tragende Rolle spielt. Wie sie mit all den Diskussionen im Vorfeld des Meißnerjubiläums klar gekommen ist und was 100 Jahre Freideutscher Jugendtag für sie persönlich bedeuten.

Wir treffen uns bei ihr zu Hause. Kurz bevor wir zum gemeinsamen Kneipensingen mit den anderen losziehen, kochen und essen wir zusammen und verfallen dabei wie von selbst ins Plaudern darüber wie das alles angefangen hat, mit franca und dem Meißnerjubiläum.

franca war als Vertreterin der Waldjugend auf mehreren Treffen des Ring junger Bünde, als es das erste Mal um das Meißnerjubiläum ging.

Ich war neu in diesem Kreis und musste mich dort noch einfinden. Für mich war das total spannend, weil das ein Forum war in dem man sich mit anderen Bundesführern austauschen konnte.

Damals wurde gesagt, beim nächsten RjB Treffen soll das erste große Treffen geplant werden aber der RjB sieht sich nicht als Veranstalter des Meißner-Jubiläums. Der RjB wollte das nur anschieben und dann sollte es von alleine weiter laufen.

Mein Eindruck von den Balduinsteiner Gesprächen und den ersten RjB-Treffen bei denen ich war, war, dass ich als Neue, Junge oft keine Chance hatte mich in die Gespräche einzubringen. Weil dort viel davon abhing was andere hören, aufgreifen oder vielleicht auch überhören wollen.

Auf so was hatte ich keinen Bock. Dafür hatte ich zu viel Kirchentag und zu viel in meinem eigenen Bund gemacht um zu wissen, dass man solch große Veranstaltungen auch viel ansprechender machen kann, dass man viel mehr Leute mitnehmen kann. Also haben wir zu viert angeboten, die erste Organisation und Moderation zu übernehmen. Vier junge Bünde, die sich anboten, das kam wohl allen gelegen.

Naja, und von den Vieren sind dann, noch vor dem ersten Treffen, zwei wieder abgesprungen. Dafür kam veilchen mit dazu der sich als Gastgeber für das erste Treffen angeboten hatte. 

Soweit klingt francas Geschichte wie eine von vielen die erzählen wie irgendwer irgendwann irgendein Amt übernommen hat. Aber ganz so einfach scheint es nicht gewesen zu sein.

Es gibt noch eine Kurve auf dem Weg wie ich zu dem Job gekommen bin.

Wir hatten uns überlegt, dass wir die Moderation wie eine Art Staffelholz immer weitergeben könnten, damit es möglichst vielfältig bleibt. Uns war ja auch noch gar nicht klar was das für ein riesiges, logistisches Ding wird, wenn so viele verschiedene Bünde mitmachen.

Zum zweiten Treffen hatten wir das an die Großen Jäger und Grauen Reiter abgegeben, die mich kurzfristig mit eingebunden haben, da sie Unterstützung brauchten. Und dann stand ja auch noch die Debatte im Raum welche Bünde überhaupt am Meißner-Jubiläum teilnehmen sollen… Deshalb wollte ich die auch nicht hängen lassen.

Das war genau die Zeit, in der auch auf der Ludwigstein über den Ausschluss bestimmter Gruppen diskutiert wurde und das Buch von Jesko über völkische und neurechte Jugendgruppen erschien… da lag es auf der Hand, dass dieses Thema bei dem Treffen auf den Tisch kommen könnte. Also es war nicht so richtig sicher, aber es lag irgendwie in der Luft.

Ohne es so richtig zu merken sind wir mitten in eine der wichtigsten Debatten der bündischen Szene der letzten zehn Jahre angekommen. Die Anfänge des Meißner-Jubiläums scheinen untrennbar mit der Debatte um rechte Jugendbünde verwoben zu sein. Und vielleicht, so denke ich mir an dieser Stelle, kann man den Meißner auch nicht richtig verstehen, wenn man die Debatten aus der Anfangszeit nicht kennt.

Und dann überwarf sich das ein bisschen. Die Großen Jäger und Grauen Reiter hatten intern viel zu stemmen und haben darum gebeten, dass ich mitmache. Die zentrale Frage war wie man das moderiert. Also, wie gehen wir damit um, wenn der Auschluss einzelner Gruppen gefordert wird.

Wir sahen uns nicht in der Verantwortung und in der Lage, beziehungsweise in der Kompetenz, zu entscheiden, dass wir darüber reden müssen. Aber wir hatten auch nicht die Möglichkeit nicht darüber zu sprechen, wenn das hochkommt.

Das war erst das zweite Treffen! Also es gab ja noch keine richtigen Strukturen. Man wusste nicht wer kommt usw. Wir haben hin und her überlegt, ob wir einen externen Moderator für das Thema brauchen, aber am Ende waren wir uns einig, dass es eine interne Moderation sein soll, die ich dann übernommen habe.

Wir haben samstags Themen gesammelt und dabei auch gesagt, dass wir das Gefühl haben, dass dieses Thema irgendwie im Raum schwebt. Am Ende haben wir von nachmittags um vier bis um acht oder neun oder zehn, ich weiß es gar nicht diskutiert.

Ich hatte mich im Vorfeld von einer Krisenmanagerin die unter anderem in Kriegsgebieten oder bei Nachbarschaftsstreitereien moderiert beraten lassen um eine geeignete, möglichst faire Methode für den Fall der Fälle zu finden.

Es war klar wir wollen samstags noch keine Entscheidung fällen, die wird erst Sonntag gefällt. Es ging darum dass jeder in der Lage ist sich bis Sonntag eine Meinung zu bilden. Wir wollten das am Sonntag nicht noch einmal neu diskutieren, aber wir wollten auch nicht direkt darüber abstimmen. Jeder sollte die Zeit haben das Gehörte sacken zu lassen, sich noch einmal mit den anderen zu unterhalten und es sollte auch noch einen gemeinsamen Abend geben.

Damals ging es um nicht weniger als darum, ob diese Gruppe zusammen besteht oder nicht. Also ob man es hinkriegt ein gemeinsames Meißner-Lager zu organisieren oder dieses Vorhaben vielleicht sogar scheitert.

Es war klar, man kann nicht miteinander. Aber es war auch klar, dass man eigentlich nicht ohne den anderen will.

Und als sonntags die Abstimmung war und das alles zu Ende war, da kam jemand und meinte wir bräuchten einen Koordinationskreis. Wir schlagen franca, veilchen und bölkes vor.

Im Grunde muss ich an diesem Punkt gar nicht nachfragen wie sich franca damals gefühlt hat. Vieles was die Diskussion damals mit sich gebracht hat schwingt auch heute noch in ihren Worten mit.

Ich war in dem Moment so ausgepowert. Ich hab gedacht „Krass, ich bin eigentlich Moderator, ich hab hier eigentlich keine Rolle. Was passiert hier jetzt?“ Dann haben veilchen, bölkes und ich uns angeguckt und wir haben uns gesagt: „Okay, eigentlich haben wir das bis hierhin gut gemacht und wenn dieser Kreis der Meinung ist, dass wir so ein Team brauchen, dann haben wir entweder die Chance, dass wir es jetzt selbst machen, dann auch mit den Idealen die wir haben, das spricht so ein bisschen gegen dieses Staffelholz, aber das stirbt jetzt eh grade, oder… wir müssen uns überraschen lassen wer sich jetzt wohl meldet so etwas zu moderieren. Möglicher Weise wird es dann wieder ähnlich laufen wie auf den RjB-Treffen, was ich nicht wollte… aber genauso gut kann man nun Verantwortung übernehmen und es selbst auf die Beine stellen

Also haben wir ja gesagt. Und dadurch war die Idee, dass wir ein wechselndes Staffelholz machen, gestorben und es gab plötzlich einen Posten den wir besetzen sollten.

Als ich franca irgendwann halb im Scherz “Miss Meißner” nenne, scheint es mir fast so als würde sie kurz zusammenzucken. Es soll nicht um sie gehen. Ganz im Gegenteil. Immer wieder betont sie, wie wichtig es ihr ist möglichst viele verschiedene Menschen in ein Projekt wie das Meißnerjubiläum einzubinden. Wir sprechen lange darüber wie man Diskussionen fair moderiert und als Moderatorin möglichst neutral bleibt.
Dass genau darin für franca die größte Herausforderung bestand verwundert kaum. An manchen Punkten waren die Meinungen vielleicht einfach zu vielfältig um es jedem recht machen zu können.

Am Anfang habe ich es sehr persönlich genommen, wenn ich den Eindruck hatte, jemand fühlt sich nicht fair behandelt. Es war wirklich mein Ideal, dass niemand unfair behandelt wird. Aber irgendwo ist der Punkt an dem ich sagen muss ich habe mein Bestes getan. Ich bin neutral, sicherlich nicht ohne eigene Meinung, aber in meiner Moderation neutral aufgetreten. Wir hatten, trotz aller Meinungsverschiedenheiten faire Diskussionen.

Heute, kurz vor dem Lager haben ganz pragmatische Sorgen die Diskussionen von damals ersetzt. Es geht darum ob die Logistik funktionieren wird und ob die vielen Zahnräder die jetzt am Gelingen des Lagers beteiligt sind, die Foren, die Zentren und der Verein, der vor allem die Finanzen trägt, in einander greifen und zusammenarbeiten.

Für franca bleibt, nachdem sie auf der letzten Bundesführerversammlung offiziell verabschiedet wurde, noch die ehrenvolle Aufgabe eine der Reden auf dem Festakt zu halten.

Ich frage franca was für sie das Wichtigste, der entscheidende Punkt am Meißerjubiläum ist.

Dass es keinen Veranstalter gibt und so viele verschiedene Bünde. Es gibt nicht einen Bund der plant und alle anderen machen mit, sondern es sitzen hundert Bestimmer im Raum die gleichberechtigt zusammenarbeiten und es funktioniert.

Damit ist die größte Herausforderung, die Vielfalt der Bünde und ihre Unterschiede, gleichzeitig die größte Chance die der Meißner bietet.

Ganz am Ende unseres Gespräches möchte ich von franca wissen, ob sie sich wünscht, dass etwas bleibt vom Meißner-Jubiläum? Ob sie sich wünscht, dass etwas Bleibendes entstehen wird wie auf früheren Meißner-Jubiläen, als sich Projekte wie der Handwerkerhof oder der RjB gründeten.

Da habe ich keinen Wunsch. Ich glaube das Meißner-Treffen ist jetzt total wertvoll und es hat jetzt schon wahnsinnig viel gebracht. Und selbst wenn davon nichts bleibt, so hat es trotzdem was gebracht im Hier und Jetzt.

Und wenn etwas daraus wird dann ist das schön, aber es ist auch nur dann so richtig schön, wenn ich es nicht erwarte.

Vielleicht, so sagt franca, bleibt in den einzelnen Foren etwas, die persönlichen Kontakte die geknüpft wurden und die Freundschaften die geschlossen wurden. Für sie selbst wird es wohl ein Abschluss mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mehr Zeit für Privatleben abseits von Meißner und Co auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch das Ende eines Projekts das franca und viele andere die letzten Jahre begleitet und verbunden hat.

Von:

WoHei kam als Spätberufener zum Christlichen Pfadfinderbund Saar. Heute lebt er in Köln, von wo aus es ihn häufig nach Norden zieht. Dort ist er unter anderem als Crewmitglied auf dem bündischen Segelschiff Mytilus unterwegs. Er fotografiert, schreibt und denkt für schwarzzeltvolk.de

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