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Landratten auf Kurs gebracht – der Gau Alt-Burgund unterwegs auf Mytilus

Im Sommer war eine Gruppe aus dem Gau Alt-Burgund im VCP auf Mytilus unterwegs. Inge berichtet für uns wie aus Landratten langsam aber sicher Seeleute wurden.

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Bin schon seit Tagen nicht mehr trockenen Fußes gestrandet. Überall Regen – Wasser – Pfützen und ein kühler Wind, der um die Nase streicht. Bisschen frisch, bisschen nass, alles. Wie Herbst eben – oder ein grandioser Sommer auf der Mytilus.

Wir treffen uns in einer 12m²-großen Studentenbude in Lund und  üben schon mal das Leben auf engstem Raum. Voll bepackt mit Essen für die nächsten sieben Tage – nicht zu vergessen die Stiege Pfälzer Wein – nehmen wir einen ganzen Zugabteil ein. Bis auf die Kollision mit einem Einkaufswagen verläuft die Zugfahrt einigermaßen unspektakulär.

In Ystad eingefahren entdecken wir am Hafen die Mytilus – das schönste Schiff im Hafen, das es auch in der ganzen nächsten Woche immer bleiben wird. Erwartungsvoll mustern wir den hölzernen Kahn, gehen auf Entdeckungsreise in den Eingeweiden des Schiffes und spüren tiefe Freude, als wir endlich das Vorschiff besetzen und für eine Woche unser Reich nennen dürfen.

Den ersten Tag nutzt die Stammcrew dazu, uns Landratten auf Kurs zu bringen – vor allem Knoten und die wichtigsten Regeln zur Sicherheit an Bord sollen sich in unseren Köpfen festsetzen. Tausend neue Begriffe, man fühlt sich klein und unbedarft, noch weit der Weg in den Seglerhimmel. Dann geht’s endlich los, die Segel werden gesetzt, weiß und eindrucksvoll der Blick nach oben – ein unbekanntes, neues Gefühl – ganz befreiend. Bis zu dem Moment, in dem sich unsere Mägen in den Vordergrund drängen. Der Fixpunkt am Horizont wird zum besten Freund der an Bord liegenden Bleichgesichter. Aus Angst, das Frühstück an das immer hungrige Meer zu verlieren, lassen wir unseren besten Freund keinen Moment aus den Augen.

Am Abend behauptet die Stammcrew, die Wellen wären für einen ersten Törn auch ungewöhnlich hoch gewesen – dadurch fühlen wir uns natürlich gleich besser.

Die Gequellte mit Hausmacher und Antipasti, ein traditionelles Gericht aus der Pfalz, bringen uns zu Kräften und der Abend kann – wie soll es anders sein – mit einer ordentlichen Singerunde und einem Gläschen Wein ausklingen. Der nächste Tag bringt weniger Wellen mit sich und einen wankelmütigen Wind, der die Segel flattern lässt. Wir beschließen den sonst sehr ruhigen Segeltag mit einer Wende nach der anderen, um in die Höllenbucht (Höllviken) aufzukreuzen, in der wir am Abend ankern. Die Nacht verbringen wir an Deck und schlafen unter einem prall gefüllten Sternenhimmel selig ein.

Die darauffolgenden Tage sind geprägt vom Anblick der gewaltigen Öresund-Brücke, die mit jeder Stunde noch mehr wächst. Hinter der Brücke ragt der Turning Torso in Malmö in den Himmel, ein Anblick, der uns auf unserer Fahrt durch den Öresund begleiten wird. Auf dem Klüverbaum sitzend passieren wir die riesige Brückendurchfahrt und werden von einer Flaute begrüßt, die uns sonnenbadend unter Motor in den Zielhafen einfahren lässt. Der geruhsame Wind des nächsten Tages bringt uns dazu, das geplante Ziel fallen zu lassen und eine kleine Insel im Öresund anzusteuern, die im Wesentlichen aus einer alten Festung besteht. Von dort sieht man die Ausläufer Kopenhagens, riesige Fabrikhallen, Schornsteine und Industrieanlagen, die weniger schön anzusehen sind. Nun befinden wir uns also auf dänischem Gewässer.

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Der nächste Sonnentag lässt uns über Bord gehen – im eisigen Wasser des Öresunds gehen wir baden und sind am Ende nicht nur abgekühlt, sondern schockgefrostet. Einige Stunden später ziehen Wolken auf, der Wind hebt an und pustet uns nach Südost. Wir wollen Kurs auf die Insel Møn nehmen, um an einem schönen Ort an Land gehen zu können. Doch gegen Nachmittag scheint es uns, als seien wir der Fliegende Holländer persönlich und wir geben es auf, ein Ziel zu erreichen, das genau dort liegt, wo der Wind herkommt. Unser Skipper Wolle bringt uns unter Motor sicher in die Faxe-Bucht, in der es vom Schwaben für gut befundene Käsespätzle und einen romantischen Sonnuntergang für uns gibt.

Am letzten Tag auf dem Wasser übernehmen wir das Kommando übers Schiff; ein tolles Gefühl, so viel in den vergangenen Tagen gelernt zu haben. Die Segel bleiben leider unter der Persenning, denn wir haben eine Fahrt durch flaches Gewässer mit Untiefen und schmalen Fahrrinnen vor uns. Der Hafen in Vordingborg begrüßt uns mit ausladender Hässlichkeit, jedoch genießen wir den gemeinsamen letzten Abend auf der Mytilus. Es gibt Tschai und Uwe singt uns zum letzten Mal „Der Turm stürzt“ ein. Nach einer ordentlichen Singerunde fallen wir müde in die Kojen und sind wehmütig, da wir unser Zuhause am nächsten Tag an eine neue Gruppe übergeben müssen. Doch vor der Übergabe heißt es „Klar Schiff!“. Wir fühlen der Mytilus auf den Zahn, schrubben die Bilge, fegen die Bretter und lüften die Matratzen. Am Mittag verabschieden wir uns von unserer wunderbaren Stammcrew und von der Mytilus, die wir im nächsten Jahr hoffentlich wiedersehen werden. Am Bahnhof trennen sich dann auch unsere Wege.

Von:

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