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Auf dem Beräunertreffen 2012

Das Beräunertreffen 2012 fand am 17. März auf Burg Ludwigstein statt. WoHei war dabei und berichtet von Wandervögeln und Pfadfindern, und von „seltsamen Gestalten“, die das Wochenende beeinflussten, egal ob man sie nun auf der Burg angetroffen hat oder nicht.

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Es mag sonderbar klingen, aber meine Fahrt zum Beräunertreffen 2012 begann tatsächlich schon, und das ganz unerwartet, am Donnerstagabend. Statt einfach nur in einer Kneipe zu sitzen und mein Kölsch zu genießen, durfte ich mir anhören, dass man zum Beräuner ja nicht hinfahren könne. „Der seltsamen Gestalten die sich dort rumtreiben wegen.“ Nun, davon abgesehen dass die Entscheidung sowieso schon gefallen war,  sah ich nicht ein, mir von irgendwelchen Leuten die ich nicht kenne, die Feier vermiesen zu lassen.

Nicht ganz vierundzwanzig Stunden später sitze ich erst im Zug nach Duisburg und dann bei Anna, meiner Mitfahrgelegenheit, im Auto Richtung Werra-Meißner-Land. Es ist schon dunkel, aber alles andere als kühl als wir auf der Burg ankommen. Im Speisesaal sammeln sich Freunde und fremde Gesichter. Seltsame Gestalten kann ich keine entdecken, nur das übliche bündische Volk.

Wenig später spielen Prinz König zum Tanz auf. Und im Publikum wird getanzt. Den Anfang macht unerschrocken der Ska-Bund, gefolgt von den Pfadfindern aus Polen für die es kein Halten zu geben scheint und irgendwann tanzt der ganze Saal.
Die Kapelle auf der Bühne singt dazu: „Hoch lebe der Widerstand! Hoch lebe das Vaterland! Hoch lebe die Proletarierin! Hoch lebe der Lottogewinn! Wir wünschen die Menschen vereint…“ Texte von Prinz König waren noch nie einfach und nur selten eindeutig, aber ich denke trotzdem wieder an die Diskussion vom Vortag. „…wir brauchen einen neuen Feind!“

Eine der interessantesten Entdeckungen des Wochenendes mache ich einige Stunden später auf dem Weg in den Schlafsack. Im Kaminzimmer sitzen dicht gedrängt grob geschätzt 60 Wandervögel mit 55 Gitarren und halten ihre ganz eigene Singerunde ab. Weniger Lebhaft als ich es gerade noch im Meißnersaal erlebt hatte, aber dafür auch nicht so chaotisch. Schade, dass ich die Runde nicht früher entdeckt habe. Noch etwas verwundert über die strikte Trennung zwischen Wandervögeln und dem Rest der bündischen Schar, die sich an diesem Abend ergeben hat, lasse ich mich vom mehrstimmigen Gezwitscher aus dem Nachbarzimmer in den Schlaf singen.

Der zweite Tag auf dem Beräunertreffen beginnt mit einem improvisierten Frühstück. Die Sonne straft den Wetterbericht lügen und strahlt was das Zeug hält vom Himmel herab. Bis ich mit der ausführlichen Honigverkostung fertig bin haben auf der Burg schon die Workshops angefangen. Im Meißnersaal wird getanzt und innerhalb der Burgmauern gibt es entweder Erste Hilfe auf polnisch, Kanons aus mehreren Jahrhunderten und Partisanenlieder. Moment. Partisanenlieder unter Anleitung eines Wandervogels in Knickerbocker? Ich habe keine Ahnung, was man Gesprächspartner von Donnerstag darüber denken würde, aber ich glaube nicht, dass er das meinte als er von „seltsamen Gestalten“ sprach. Vielleicht hätte auch genau dieses Bild ihn zum Nachdenken gebracht…

Der Nachmittag auf dem Ludwigstein vergeht erstaunlich entspannt. Man sitzt in der Sonne, schlendert von A nach B und allenthalben wird für den bevorstehenden Singewettstreit geübt.

Als um vier Uhr der Meißnersaal für den Wettstreit geöffnet wird hat sich draußen schon eine ganze Traube Wartender gebildet. Es wird, wie angekündigt, voll im Saal. Da hilft auch die extra eingerichtete Live-Übertragung per Video in den Rittersaal kaum. Dicht gedrängt sehen die Zuschauer in der ersten Halbzeit fünf Singegruppen und den legendären Ziviflur. Am Ende entscheiden die Pfadfinder aus Polen die Wertung für sich. Eine gute Entscheidung, denn ihr Vortrag war im Vergleich zur Konkurrenz doch der rundeste.

Nach der Pause hat sich der Saal deutlich geleert, was allen Verbliebenen etwas mehr Luft zu atmen lässt und die zweite Hälfte wesentlich angehmer werden lässt. Außerdem werde ich positiv überrascht, denn die insgesamt 15 Lieder in der Kategorie der Einzelsänger sind deutlich abwechslungsreicher als ich erwartet hätte. Völlig zu recht vergibt das Publikum den ersten Platz in dieser Kategorie an Imke und Kai. Daneben bleibt mir ein Lied von rupert und stache im Gedächtnis haften, auch wenn’s dabei schon wieder um das Thema geht, dass mich auf diesem Beräunertreffen nicht loszulassen scheint. Ich freue mich über die herrlich ironische Note, den stocksteifen Gesang und das Spiel auf der Zitter, die soviel mehr sagen als manche Erklärung.

Über den Rest des Abends gibt es fast nichts mehr zu berichten. Im Rittersaal wird gesungen was die Kehlen hergeben, im Kaminzimmer und im Speisesaal auch und es ist schon erstaunlich wie jeder auf der Burg sein Eckchen findet.
Und dann begegnet mir, draußen vorm Burgtor, doch noch eine „seltsame Gestalt“. Aber auf ganz andere Art als ich es mir hätte träumen lassen, denn auf ein „Hey, du auch hier? Kommst du mit in den Rittersaal, da wird gesungen.“ folgt ein ablehnendes Kopfschütteln. Nein, man wisse ja nicht so genau wer sich da rumtriebe. Da wolle man lieber auf Nummer sicher gehen und Abstand halten.

Ich kann nur den Kopf schütteln und trotte schließlich alleine zurück in die Burg. In der Singerunde im Rittersaal folgt auf „Wir drei wir geh’n jetzt auf die Walze“ das „Einheitsfrontlied“. Seltsame Gestalten sind das, die sich auf vor Burg Ludwigstein rumtreiben.

Anm. d. Red. Auf der Seite der Burg Ludwigstein sind alle Lieder des Beräunertreffens online, als MP3 zum Download sowie als Liedblätter.

Von:

WoHei kam als Spätberufener zum Christlichen Pfadfinderbund Saar. Heute lebt er in Köln, von wo aus es ihn häufig nach Norden zieht. Dort ist er unter anderem als Crewmitglied auf dem bündischen Segelschiff Mytilus unterwegs. Er fotografiert, schreibt und denkt für schwarzzeltvolk.de

6 Kommentare zu Auf dem Beräunertreffen 2012

  • Was ist am Einheitsfrontlied denn seltsam?
    Sofern es nicht unkritisch im Bezug zu autoritär bzw. dikdatorisch fehlinterpretiert wird, kann man sagen, dass es sicherlich seltsamere Lieder in der Jugendbewegung gibt. Und auf welche Leute haben die seltsamen Gestalten denn keine große Lust?

  • Hallo Jens,

    hab ich gesagt, dass das Einheitsfrontlied seltsam ist? Ich glaube nicht. Aber es gibt sicherlich Gründe warum man es als seltsam bezeichnen könnte. Einige davon nennst du selbst.
    Auf wen die von mir (am Ende) als seltsam bezeichneten Gestalten keine Lust haben kannst du an zahlreichen Stellen nachlesen. Schau mal im Pfadfindertreffpunkt nach Diskussionen rund um das Stichwort „offene Burg“ bzw. einfach die Burg Ludwigstein oder das Beräunertreffen. Ich bin mir sicher du wirst was treffendes finden.

    Grüße,

    WoHei

  • Hallo WoHei,

    danke für Deine schnelle Anwort. Ich war ungenau im Lesen, denn ich habe die seltsamen Gestalten mit dem Einheitsfrontlied gleichgestellt. Eine logische Verkürzung. Die seltsamen Gestalten waren Deinem Artikel zu Folge ja grade nicht im Rittersaal. So leicht kann ma sich irren, aber so bin ich wenigstens auf diese Seite gestoßen. Diese Diskussionen um die „offene Burg“ habe ich teilweise verfolgt und Seltsames über bestimmte Gruppierungen im Internet gefunden.
    Sich einreihend,
    Jens

  • Dann eben in die Ludwigsteiner Einheitsfront!
    Mit Burgfrieden und Wandervogel/Rastafahne:
    Rot – Gelb – Grün.

  • Pingback: Wer trägt den schwarzen Aufkleber dort… | schwarzzeltvolk.de

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