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…fahren übers Weltenmeer im Weiberkahn!

Eine Woche, fast nur Weiber auf dem Kahn und die estnische  See. Felicia aus dem Mädchenwandervogel Solveigh berichtet für uns von Bord der Mytilus. – Passend zum Motto des Törn sang der MWV Solveigh schon vor ein paar Jahren auf dem Beräunertreffen. Wir präsentieren heute also einen Fahrtenbericht mit passendem Soundtrack.

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Sonnenschein zwischen grauen Wolken herausbrechend weckt uns, oder liegt es an der duftenden Geburtstagstorte? Nachdem letztere innerhalb von wenigen Minuten verspeist ist, begeben wir uns auf den Weg zum kleinen estnischen Dorfladen, in dem wir uns für die bevorstehende Woche auf See eindecken. Vollgepackt mit Schweizern und Kartons voller Lebensmittel stapfen wir zur Fähre, die uns kurz darauf zu unserem Starthafen bringt, auf die Insel Muhu im kleinen Hafenort Kuivastu.

Schon vom Weiten kann man vom Deck der Fähre aus Mytilus, unsere kleine Miesmuschel, sehen. Ihr großer, langer Mast aus glattem, hellbraunen Holz sticht aus der Masse der weißen, modernen Yachten hervor und man könnte denken, dieses kleine, starke Schiff liege schon seit Jahrhunderten in diesem Hafen, wenn die Hafenanlage und die anderen Segelschiffe dieses Bild nicht zerstören würden.

Das Lächeln auf unseren Gesichtern, das von einem Ohr zum anderen reicht, ebenso wie die quietschenden Töne aus unseren Mündern, zeigen die übermäßige Vorfreude auf eine Woche auf  Mytilus voller Abenteuer und Freiheit.

Von der Fähre stürmen wir in ihre Richtung, mit der wir ein paar Stunden später auch schon die erste kleine Runde im aufkommenden Regen „drehen“. Leider wird der Regen stärker, der Wind dreht und der Tag ist soweit fortgeschritten, so dass wir zurück in den Hafen fahren. Dort verbringen wir dann unsere erste Nacht auf der schaukelnden Miesmuschel in unseren Kojen im Vorschiff.

Frühmorgens beginnt der erste Tag auf See, mit Seemannshunger verspeisen wir das Frühstück und können uns kaum halten vor Spannung und Freude auf den Tag, der vor uns liegt.

Bevor es richtig losgeht, zeigt WoHei die wichtigsten Knoten, wie den Webleinstek und den Kopfschlag, das sind die Knoten, die wir am häufigsten während des Segelns brauchen werden, und wirft mit Seemannsbegriffen um sich, die wir zu dem Zeitpunkt nur schwer im Kopf behalten können, ein Tag später aber schon zu unserem natürlichen Vokabular dazu gehören.

Und los geht’s! Mit wasserfesten Klamotten und eingemummelt in Schal und Mützen, der Wind auf See ist doch weitaus stärker als man denkt, warten wir auf unseren Skipper, den Ulf. Mit viel Sonnencreme auf den Lippen, egal ob bei schlechtem oder guten Wetter, Ulf ist immer gut vor Sonne und Sonnenbrand geschützt, was man angesichts unserer bereits geröteten Wangen nicht von uns behaupten kann.

Zuerst setzen wir mit vereinten Kräften das große Gaffelsegel und kurz darauf auch Fock und Klüver, die Segel am Vorderdeck und unsere Geschwindigkeit nimmt rasant zu. Die Arbeit, die früher ein Einzelner gemacht hat, nämlich das Segel am Fall nach oben zu ziehen, müssen wir uns zu dritt teilen, was für allseitige Erheiterung sorgt und dennoch auch den Kleinsten von uns das Gefühl von unbändiger Stärke gibt.

Die Zeit vergeht wie im Fluge und schon bald gibt es Mittagessen für unsere hungrigen Mägen, die wir bei der Arbeit besonders spüren. Pünktlich zur Mittagszeit lässt der Wind nach, was sich für das Mittagessen an sich als gut erweist, da man auf einem langsam dahin schleichendem Schiff angenehmer Essen und Trinken kann. Bei extremer Schräglage des Bootes, bei höheren Geschwindigkeiten und Windstärken ist das schwieriger, wie sich später herausstellt.

Jetzt wo der Wind kaum mehr merklich ist, ist allerhand möglich an Deck. Neben dem regelmäßigen Wenden und Halsen, wo wir tatkräftig mithelfen, werden die Gitarren aus den Kojen geholt und wir singen laute Seemannslieder. Außerdem ermöglicht die niedrige Windstärke, dass einer von uns unerfahrenen Seefrauen an die Pinne und das Schiff steuern darf. Annika übernimmt den Anfang und stellt schnell fest, dass auch das Steuern eines Schiffs erst mal gelernt werden muss, und damit das Umdenken von Rechts und Links, im Seemannsjargon: von Steuerbord und Backbord. Nach einiger Zeit gelingt es unserer Steuerfrau schon sehr gut und gemächlich bewegt sich die Mytilus auf die nächste estnische Insel im Baltischen Meer, auf Hiiumaa zu.

Als unser Schiff den Schatten von Muhu verlässt und Annika auf das offene Meer hinaus steuert, beginnt es auf einmal mächtig zu schaukeln an. Kurz darauf fliegen wir nur so auf dem Wasser dahin, auf der offenen See ist der Wind wesentlich stärker für uns, aber vor allem für die Segel der Mytilus zu spüren. Die vier Segel, in der mittäglichen Flaute hatten wir noch den Flieger gesetzt, blähen sich auf und wir erreichen bei einer Windstärke 2 beinah eine Geschwindigkeit von sechs Knoten. Neun Knoten ist die Höchstgeschwindigkeit unserer Miesmuschel und da sind wir mit sechs Knoten schon gut dabei.

Die Bugspriet hebt und senkt sich, taucht dabei tief in die Wellen ein und das Wasser spritzt bis aufs Deck hinauf.

Die Ersten spüren bereits die Anfänge der Seekrankheit und die Anderen setzten sich vorne aufs Vorderdeck und genießen das Auf- und Abschaukeln des Schiffs, ebenso wie die aufspritzende Gischt.

Nach einer wilden, stürmischen Fahrt über das offene Meer, erreichen wir den Hafen von Heltermaa. Wir legen an und begeben uns daraufhin in die kleine Schiffsküche, wo wir unser Lieblingsfahrtenessen, Stampfkartoffeln mit Mais und Speck, kochen und schließlich mit der Crew hungrig, aber mit stetigem Lächeln auf dem Gesicht, verspeisen.

Der erste Tag auf See und auf der kleinen Mytilus hat sich als schöner, wilder und toller herausgestellt, als wir es uns in den Nächten zuvor erträumt hatten.

Mit Gitarrenspiel und Gesang lassen wir den Tag ausklingen, während über uns dicke Regentropfen aufs Deck fallen. Doch wir fühlen uns wohl in unserer Messe mit ihrem großen Holztisch, den Bänken drumherum, und dem kleinen Ofen in der Ecke.

Später liegen wir satt, glücklich und äußerst zufrieden mit dem ersten Segeltag in unseren Kojen und freuen uns auf die nächsten sechs Tage auf dem Schiff, welches uns schon jetzt ans Herz gewachsen ist.

Felicia

Von:

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