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Im Harz – Wie in Schweden

Jede Fahrt hat ihn – diesen einen besonderen Moment, der die Fahrt zu dem macht was uns in Erinnerung bleiben wird. Ein Moment in der heraussticht aus unserem (Fahrten-)Alltag, die Fahrt groß macht, auch wenn es nur ein winziger, kaum greifbarer Moment war. Wenn wir können, versuchen wir diese kleinen Momente festzuhalten. In einem Foto, einem Tagebucheintrag, oder einem Bericht.

Ich liege in der Sonne, der Himmel über mir ist strahlend blau. Das erste Mal auf dieser Fahrt mache ich mir ernsthaft Gedanken, ob ich mir einen Sonnenbrand holen könnte. Welch ein Glück eigentlich. Sonnencreme haben wir nämlich keine dabei. Die hat irgendwer vergessen, kann mich grad nicht dran erinnern wer sie hätte einpacken sollen. Ist auch egal, soweit gekommen muss es auch ohne gehen.

Unten am See toben die Jungs, werfen Steine ins Wasser. Der ist klar, sehr klar. Rundherum ist Wald, einige Birken sind unter den Bäumen. Und da wir an einem kleinen Ausläufer des Sees sind gibt’s auch nichts zu sehen als Himmel, Wald, See und die Steine vor mir. Würde ich einschlafen und erst nach einer Weile und einem schönen Traum wieder aufwachen, vielleicht würde ich beim ersten blinzeln durch die noch verklebten Wimpern glauben ich sei in Schweden. Einzig die spitzen Steine unter mir könnten mich davon abhalten. Vom Schlafen und vom Denken an Schweden. In Schweden gibt es glaub ich keine spitzen Steine. Zumindest ist Schweden nicht ihr natürlicher Lebensraum.

Irgendwo weit draußen schwimmt ein kleines Segelboot. Die Regatta gegen meine Jungs hab ich grandios verloren. Deren Boot ist schon längst am anderen Ufer gestrandet und die Gedanken mit denen sie es auf die Reise schickten erobern da drüben neue Welten. So wie wir die Woche über.

Der Harz ist großartig. Viel Wald, nur ab und zu mal eine Wiese oder ein Dorf dazwischen. Zugegeben manchmal ist genau das auch ein Nachteil, weil man viel weiter laufen muss, wenn man am Abend noch einkaufen will, aber was soll’s. Nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich am Laden stehe und nichts mehr zu essen bekomme. Das erste Mal in meinem Leben ist es allerdings, als ich im Wald stehe und zwei Kilometer laufen muss um eine einzige Kohtenstange zu finden. Ring herum waren nur Jahrzehnte alte Fichten, die wie Soldaten aufgereiht in den Abend ragten. Am Tag danach ging’s mit dem Zug von Elend nach Sorge. Es ist nicht irgendein Zug, der die beiden seltsam benannten Orte verbindet. Eine stählerne Schlange, deren Kopfende Rauch und Dampf speit windet sich langsam durch den Wald. Die Fahrt mit dem Zug erschien mir selbst im Fahrtenalltag als langsam, aber ich genoss es die Faszination von Jim Knopf nachzufühlen, auf der Plattform zu stehen und ein Foto nach dem anderen zu machen. Die Zugfahrt war ein Highlight und Gipfelfest unserer Fahrt, die nebenbei nicht für mich, aber die Jungs die erste war. So ist es wohl auch egal, wie viel ich auf dieser Fahrt zum ersten Mal im Leben gesehen habe, auch wenn es reichlich davon gab.

Auf den Tag am See haben wir uns wohl alle gefreut, hatten die ersten Tage der Fahrt doch so gar nicht zum Baden eingeladen. Für mich war es das Gefühl da zu sein wo ich hin wollte mit meinen Jungs. Nicht unbedingt an diesen Ort, sondern an dieses Gefühl, das sich vielleicht nur auf Fahrten einschleicht. Soviel hinter sich zu haben, noch einiges vor sich und sich trotzdem mittendrin angekommen zu fühlen. Für einen kurzen Moment glauben man sei in Schweden, auch wenn es nur der Harz ist.

Von:

WoHei kam als Spätberufener zum Christlichen Pfadfinderbund Saar. Heute lebt er in Köln, von wo aus es ihn häufig nach Norden zieht. Dort ist er unter anderem als Crewmitglied auf dem bündischen Segelschiff Mytilus unterwegs. Er fotografiert, schreibt und denkt für schwarzzeltvolk.de

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