04

10

Meißner hautnah – Till

Meißner hautnah ist eine Interviewreihe in der wir Menschen zu Wort kommen lassen die auf unterschiedliche Art und Weise mit dem 100-jährigen Jubiläum des Freideutschen Jugendtags auf dem Hohen Meißner in Verbindung stehen. Meißner hautnah soll einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen und persönliche Geschichten festhalten, ganz nah dran und so vielfältig wie die Menschen und ihre Bünde.

Im zweiten Teil erscheint heute ein Interview mit Till, der zusammen mit anderen aus dem Gau Alt-Burgund (VCP) das musische Zentrum vorbereitet.

2013-08-11-Meissner-Bufuever  059

Till ist einer den man in Singerunden meistens mitten drin findet. Mit Gitarre versteht sich, wollbraune Weste über der grauen Kluft und dunkelblaues Barett auf dem Kopf. Stillsitzen scheint es bei Till nicht zu geben. Er ist immer in Bewegung, immer irgendwas am machen.

Seit etwa zwei Jahren kümmert er sich zusammen mit Almut und anderen aus dem VCP Gau Alt-Burgund sowie Freunden aus den Bünden um das Musische Zentrum. Wir nutzen die Platzbesichtung während der letzten Bundesführerversammlung um uns ein paar Minuten Zeit zu nehmen. Wir sitzen auf der Sommerwiese die in wenige Wochen später Lagerplatz sein wird. Um uns herum schwirren Bienen. Andere Meißnerplaner schreiten das Gelände ab und interessieren sich dafür ob hier noch Platz für’s Westforum sein wird, oder ob das schon Forum Mitte ist.

So nah dran am Ort des Geschehens wirkt alles doch wieder weit weg. Ich frage Till wie seine Meißnergeschichte begonnen hat.

Ich glaube, ich habe relativ spät vom Meißner gehört. Ein Freund erzählte mir davon, also von der Meißner-Formel, 1913 und die ganzen Sachen, die man in einem Verband wie dem VCP vielleicht gar nicht so auf die Nase gebunden bekommt.

2011 haben wir auch bei uns im Gau die ersten Gespräche darüber geführt. Und dann war da noch Almut. Sie war schon sehr früh in Sachen Meißner aktiv, hat geschaut wo die Bundesführerversammlung stattfindet usw. Sie wollte noch jemanden aus unserem Gau mitnehmen und so kam ich dazu. Sie hat quasi noch „jugendliche“ Unterstützung gesucht. Damals war ich ja noch jugendlich.

Till gehört tatsächlich auch heute noch zu den jüngeren auf der Bundesführerversammlung. Als dort irgendwann ein Jugendlicher Redner für den Festakt gesucht wurde musste man mit Erstaunen feststellen, dass es in diesem jugendbewegten Kreis fast niemanden unter 20 gab. Heute bilden die unter 25-jährigen eine eigene Gruppe, die eigenen Themen diskutiert und gesondert in die Bundesführerversammlung einbringt. Till gehört dazu.

Die Idee eines Musischen Zentrums mag nicht seine gewesen sein, aber er prägt sie mit.

Die Idee Musisches Zentrum hat sich so nach und nach entwickelt. Almut kam auf mich zu, weil sie -beziehungsweise unser Gau- angesprochen wurde, ob wir nicht etwas machen wollen. Im VCP war und ist Meißner 2013 kein so großes Thema wie in anderen Bünden. Uns erschien die Idee reizvoll uns mit dem Musischen Zentrum auch als VCP zu präsentieren.

Damals gab es noch relativ wenig feste Programmpunkte. Und musische Arbeit liegt unserem Gau sowieso. Wir veranstalten ja auch einmal im Jahr die Trifels, ein Singetreffen auf Burg Trifels, wo auch jedes Jahr sehr viele Leute aus den unterschiedlichsten Bünden hinkommen und musizieren und andere musische Arbeit machen. Deshalb waren wir uns auch sicher, dass wir was Schönes auf die Beine stellen können.

Ich selbst war eigentlich von Anfang an Feuer und Flamme für die Idee, weil ich mir darunter so viele Sachen vorstellen konnte.

Till erzählt mir davon, dass sie schöne Künste aus den Bünden sammeln wollen und den vielen kreativen Dingen in den Bünden einen Raum geben wollen. Volkstanz und Chorsingen zählt er auf und schiebt gleich hinterher, dass dies ja Klassiker seien. Es gäbe aber auch noch andere Angebote, brasilianischen Kampftanz zum Beispiel, oder Land Art, also Kunst aus, in und mit der Natur…

Ich frage mich, ob man ein Musisches Zentrum auf dem Meißner überhaupt braucht. Für mich ist Jugendbewegung untrennbar mit Singerunden und gemeinsamen Musizieren verbunden. Dazu braucht es doch eigentlich keine Organisation, ganz im Gegenteil, die besten Singerunden entstehen doch eh spontan.

Ja, das stimmt. Aber es ist ja ein Unterschied zwischen dem, was man so nebenbei macht und dem, worauf man sich vielleicht konzentrieren möchte. Was möchte man vielleicht wieder aus der Versenkung holen? Was kann man vielleicht nicht jeden Tag machen, aber in einem größeren Rahmen, in einem Arbeitskreis vielleicht schon. Land-Art zum Beispiel macht man nicht einfach nebenbei, darüber muss man sich schon ein paar Gedanken machen und sich vorher schon damit beschäftigen.

Für uns geht es auch darum, die Vielfalt, die wir auf dem Meißner haben abzubilden und die Leute ranzuholen und zu fragen „was sagst du zu der Idee Land-Art oder Volkstanz. Das kann ja alles ganz unterschiedlich angegangen werden.

Und klar, wir haben viele Sachen aufgeschnappt, die sowieso laufen, aber wir wollen eben auch alles andere irgendwie an den Mann bringen.

Musisches und Kreatives liegen Till, das ist „sein Ding“, da hat er „Bock drauf“.

Irgendwann stürzt man sich auf einen Bereich und das war für mich eben Singen und Lieder beibringen und Gitarre spielen und beibringen. Das christliche Zentrum wird ja auch von vielen Christen gemacht.

Klar also, dass Till das Musische Zentrum macht. Das muss er eigentlich auch gar nicht sagen, das sieht man ihm schon an, wenn er darüber spricht.

Also ohne das Musische geht es ja gar nicht. Wenn wir nicht das Musische Zentrum gegründet hätten, hätten die Bünde ja trotzdem ihre musische Arbeit mitgebracht. Es läuft ja auch in jedem Forum künstlerische Arbeit. Das ist ja keine Frage. Wir haben nur gesagt, wir versuchen das rauszukitzeln was geht und ein paar andre Sachen zu machen, die nicht alltäglich sind.

Das Musische ist schon eine der wichtigen Sachen, die mich bei den Pfadfindern hält. Und auch eine Sache wegen der ich auf den Meißner komme, klar. Damit meine ich nicht das Musische Zentrum, sondern das Singen, das Feiern…

Aber zu der Aufgabe ein Musisches Zentrum auf dem Meißner 2013 zu organisieren gehört sicherlich noch mehr als nur die Liebe zum Singen und Musizieren.

2013-08-11-Meissner-Bufuever  072

Als ich Till frage, was er eigentlich von der ganzen Idee eines Meißner-Jubiläums hält und was er am Anfang darüber dachte, antwortet er ähnlich begeistert. Für ihn geht es auch um die Chance dabei zu sein. Nicht immer nur in Büchern von Leuten zu lesen, die spannende Sachen gemacht haben.

In der Geschichte der Jugendbewegung sind so viele spannende Sachen passiert. Es ist ja eigentlich nur die einfache Idee Jugendlichen etwas zu bieten, mit ein bisschen Kultur und ein bisschen Stil hintendran sozusagen. Aber jetzt passiert noch mal was. 2013 treffen sich möglichst alle Bünde, die es aktuell gibt, und feiern dieses Fest.

Und da mal reinzuschnuppern – das war ja mein erster Gedanke – einfach mal zu hören was es so an anderen Bünden gibt, was ich noch nicht kenne, das war schon ziemlich spannend. Da hatte ich Bock drauf.

Und dann hab ich gemerkt, das sind alle klasse Leute und das hält einen dann auch einfach. Wenn man merkt, die denken ähnlich wie ich, die haben auf genau die gleichen Sachen Lust, die sind genauso begeistert dabei. Das macht das Meiste aus.

Ganz sicher hat das auch mein Denken verändert. Okay, das hätte es vielleicht auch, wenn ich mich in der Zeit voll in meine Arbeit im VCP reingehängt hätte oder so. Das hätte mich auch verändert.

Aber dadurch, dass ich jetzt jedes halbe Jahr die Meißner-Treffen hatte und dazwischen auch noch Treffen mit dem Südforum, habe ich einfach andere Kontakte geknüpft, mehr Austausch bekommen und andere Leute kennengelernt.

Ich hab da nicht nur Bünde kennengelernt. Die Bünde sind im Grunde egal. Es geht um die Leute die dahinter stecken.

Und wenn man überlegt, dass wir am ersten Oktoberwochenende das feiern, worauf wir jetzt die ganze Zeit hingearbeitet haben, dann ist das total spannend.

„Total spannend“ ist der Ausdruck den Till an diesem Nachmittag mit Abstand am häufigsten über die Lippen kommt. Wir schweifen ein wenig ab, unterhalten uns darüber, ob denn alles klappen wird und worin denn die größten Herausforderungen auf dem Weg zum Meißner 2013 lagen. Für mich wird unser Gespräch wieder „total spannend“ als wir darüber sprechen welche Bedeutung Meißner für Till persönlich hat.

Das weiß ich gar nicht. Vielleicht werde ich das wissen, wenn ich 2038 sage: Mein Sohn, du gehst auf dieses Meißnerlager, weil es damals so geil war. Oder, wenn ihm sagen muss: Nee, macht eure Arbeit, was immer ihr machen wollt, aber ihr braucht nicht auf dieses Lager, es gibt einem nichts.

Ich hab viele Leute gesehen die 88 auf dem Meißner waren und heute sagen: es war das Lager meiner Pfadfinder- oder was auch immer- Zeit und deswegen will ich auch noch einmal dabei sein. Und wenn das so wäre, wenn das 2038 bei mir so hängen geblieben ist – und das kann ich mir momentan gut vorstellen – dann wäre das ziemlich cool.

Was es für mich jetzt bedeutet ist, dass ich unheimlich viele Leute kennenlernt habe. Deshalb wird vielleicht die Vorbereitungszeit wichtiger sein als das Lager selbst.

Ich glaube, als Vierzehnjähriger der auf das Lager fährt, aber im Vorfeld vielleicht noch nichts vom Meißner 2013 mitbekommen hat, muss man schon sehr offen sein um so viel vom Lager mitzunehmen. Es geht ja wirklich um die persönliche Begegnung. Da hatte ich es vergleichsweise einfach, mit den ganzen Vorbereitungstreffen, im Südforum, aber auch bei der Bundesführerversammlung. Aber wenn man einfach nur diese sechs Tage Meißner hat… dann ist das vielleicht schwerer.

Glaubst du, dass von dem Lager etwas bleiben wird? Gibt es Sachen von denen du glaubst, dass sie bleiben wird?

Ich hoffe, dass unsere Südforumsfahrten und –freundschaften weiter bestehen bleiben. Dass wir uns weiter treffen und uns wieder sehen, dass wir das aufrecht erhalten können und vielleicht mehr bleibt als nur einmal ein Lager. Wie genial wäre es zum Beispiel, wenn in fünf Jahren keiner mehr von uns dabei ist, die sich aber trotzdem weiter treffen.

Was besteh’n bleiben wird, ist sicher auch die Idee, dass man sich überbündisch zusammen tut. Das ist die Hauptsache. Klar, es bleiben Dokumentationen und so Zeug. Aber die werden wahrscheinlich auch erst wieder so richtig rausgekramt wenn es 2035 darum geht, zu schauen, wie wir das damals gemacht haben.

In der Zwischenzeit kommen die anderen langsam aber sicher von ihrer Platzbegehung zurück und irgendjemand sagt Till Bescheid, dass Almut ihn sucht. Irgendetwas wichtiges ist noch zu klären, da hinten, wo die Bühne stehen wird. Und damit schleicht sich doch noch das Gefühl ein, dass es nicht mehr lange dauert bis alles wieder vorbei ist. Und, dass die Zeit bis dahin doch eigentlich viel zu kurz geworden ist.

Ja, dass ist schon verrückt, wenn man daran denkt wie bald das schon ist. Und dass es dann nur diese eine Woche ist. Ich habe da jetzt seit 2011, also gute zwei Jahre dran gearbeitet. Da sind schon viele Gedanken von mir reingeflossen und jetzt ist es eigentlich schon so gut wie vorbei.

Wenn ich den Platz so sehe… ich war jetzt schon zwei Mal hier… Diesmal sieht er übrigens am besten aus, muss ich schon sagen, einfach weil Sommer ist… also wenn das so ein Lager wird und es vom Wetter vielleicht auch nur in diese Richtung geht, nur eben im Oktober, dann wird das ziemlich cool.

Von:

WoHei kam als Spätberufener zum Christlichen Pfadfinderbund Saar. Heute lebt er in Köln, von wo aus es ihn häufig nach Norden zieht. Dort ist er unter anderem als Crewmitglied auf dem bündischen Segelschiff Mytilus unterwegs. Er fotografiert, schreibt und denkt für schwarzzeltvolk.de

Schreibe einen Kommentar