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Quo vadis HaSiWe – Ein Interview mit flina

Ende Februar findet zum 37. Mal der Hamburger Singewettstreit statt. Nach wie vor eine der größten bündischen Veranstaltungen, aber wie lange noch? Schon im Vorfeld des letzten Hamburger berichteten wir darüber, dass sich der Vorbereitungskreis über zu geringe Anmeldungen beklagte. Damals war das erste Mal offen die Rede davon, dass der Singewettstreit vielleicht nicht stattfinden könne. Diesen Herbst wiederholte sich das Geschehen und wir stellten uns wieder die Frage: Steht der Hamburger Singewettstreit vor dem Aus? Darüber sprachen wir mit flina aus dem Vorbereitungskreis.

2012-02-25 HaSiWe  053

Schwarzzeltvolk: Hallo flina, magst du dich unseren Lesern zunächst kurz vorstellen?

flina: Moin, ich bin flina – ich komme aus dem Ortsring Hamburg im WVDB. Seit ein paar Jahren bin ich im Vorbereitungskreis des Hamburger Singewettstreites und kümmere mich da hauptsächlich um den Kontakt zu den Singegruppen.

Wenn man dem Hamburger Singewettstreit auf Facebook folgt, dann konnte man in den letzten Tagen immer wieder lesen, dass ihr zu wenig angemeldete Singegruppen habt. Wie ist der aktuelle Stand?

Die Gruppen haben die Situation so ernst genommen, wie sie war und sich zuletzt noch ausreichend angemeldet. Der Singewettstreit kann stattfinden.

Müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen, dass es in Zukunft keinen Hamburger Singewettstreit mehr geben wird?

Die Sorgen sind durchaus berechtigt. Nicht erst in den letzten Jahren melden sich immer weniger Gruppen an um mitzusingen. Es ist ja nicht so, dass wir den Singewettstreit vorbereiten und damit hat es sich. Ganz im Gegenteil, der Singewettstreit lebt ausschließlich davon, dass es Gruppen gibt, die mitmachen wollen, wir koordinieren das Ganze „nur“…

Irgendwann macht das aber auch keinen Spaß mehr, wenn man bitten und betteln muss, damit sich zumindest so viele Gruppen anmelden, dass es mit Ach und Krach ausreicht. Weil die Jurys in den Vorentscheidungen, so sie denn überhaupt stattfinden können, dann auch nicht mehr sinnvoll auswählen können, geht das zu Lasten der Qualität der Beiträge auf der Bühne und auch das ist kritisch. Es ist also auf allen Ebenen schwierig und wird in der Zukunft sicher nicht einfacher.

Was glaubst du sind die Ursachen für die rückläufigen Anmeldungen?

Ach, ich glaube, dass das ein allgemeiner Trend in der Jugendbewegung und gar nicht auf den Singewettstreit begrenzt ist. Die äußeren Umstände haben sich geändert, Stichwort Ganztagsschule und G8, was es den Jugendlichen quasi unmöglich macht, sich nebenbei mit dem nötigen Aufwand in Pfadfinder-, bzw. Jugendgruppen zu engagieren. Mein Eindruck ist aber auch, schon aus der Erfahrung in meinem eigenen Ortsring, dass die Zahl derer, die nur mitmachen, sich aber nicht selbst einbringen wollen, immer mehr zunimmt. Ich glaube aber, dass dies nicht nur an den äußeren Umständen liegt, sondern auch am allgemeinen Zeitgeist einer in Teilen mit Angeboten überschwemmten Jugend.

Besonders von älteren Bündischen hört man immer wieder klagen, dass die Jugend von heute nicht mehr so viel singen würde. Glaubst du, dass die Bedeutung des Singens und der Lieder in den Gruppen abnimmt?

Das ist meiner Meinung nach ein altes Thema, das sehr stark nach „früher war alles besser“ riecht. Es ist doch klar, dass sich die Jugend von heute von der Jugend von damals unterscheidet und dass sich dies auch in der Kultur in den Bünden wiederspiegelt. Ich ganz persönlich finde, dass diejenigen Älteren, die solche Klagen laut aussprechen, sich auf das Altenteil zurückziehen sollten. Mein Eindruck ist einfach, gerade vor dem Hintergrund des Meißner-Lagers im Oktober 2013, dass die Gruppen „anders“ singen. Das Singen scheint in manchen Gruppen nicht zum allgegenwärtigen Inhalt des Gruppenlebens zu gehören, sondern man trifft sich eher explizit als Tagesordnungspunkt zum Singen und Musikmachen. Aber ob das früher wirklich insgesamt anders war oder nur bezogen auf die jeweils betrachtete Gruppe…?

Der Hamburger Singewettstreit soll in diesem Jahr zum 37. Mal stattfinden. Ist man nach so vielen Jahren vielleicht auch in den eigenen Traditionen gefangen?

Mit den Jahren haben sich viele Abläufe als gut und sinnvoll in ihrem Gesamtzusammenhang erwiesen, so dass man die gesamte Veranstaltung in ihren Grundfesten verändern müsste, wollte man ernsthaft daran rütteln. Ob man sich in diesen Traditionen gefangen fühlt ist daher wohl eher eine subjektive Frage. Im Vorbereitungskreis überlegen wir uns häufig, ob bestimmte Vorgänge noch so beibehalten werden sollen oder nicht. Vieles ändert sich ja auch immer wieder, eher im Detail, aber dennoch gibt es Veränderungen.

Wäre für euch auch denkbar, dass der Hamburger Singewettstreit in Zukunft mit deutlich weniger Zuschauern, in einem völlig anderen Rahmen stattfindet? Oder funktioniert der HaSiWe nur in groß?

Über so eine Frage kann man sich, glaube ich, nur Gedanken machen, wenn es tatsächlich und ohne Alternative nötig ist. Jedenfalls geht es mir so. Außer einer Überschneidung mit dem Ort auf der Deutschlandkarte wäre der Hamburger Singewettstreit dann irgendwie nicht mehr „Der Hamburger Singewettstreit“. Dabei gäbe es dann im Vorwege soviel zu bedenken und zu entscheiden, puh…

Wie beurteilst du die vielen kleinen Singewettstreite und Sängerfeste, die sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren etabliert haben? Ist die Konkurrenz für den Hamburger durch Rabenstein und Co. größer geworden?

Jeder dieser Singewettstreite hat doch sein ganz eigenes Gesicht. Der eine findet auf einer Burg statt, der andere in Zelten, der dritte ist offen für Einzelsänger, auf wieder einem anderen dürfen nur selbstgemachte Lieder vorgetragen werden, „Hamburg“ ist eben (bisher) der größte. Ich empfinde es eher als Bereicherung der Szene allgemein, wenn sich überall im Land verteilt die Leute zum Singen treffen. Wir würden uns allerdings wünschen, dass es mehr Austausch zwischen den Singewettstreiten, also den Vorbereitungskreisen und den Singegruppen, gäbe, der dann durchaus für alle Beteiligten einen Vorteil bedeuten könnte.

Andererseits hört man bezogen auf den Hamburger Singewettstreit auch, dort würden sich 5-20 Sänger einer konsumierenden Masse von 1500 Zuschauern gegenüber stellen. Was sagst du zu dem Vorwurf der Wettstreit sei zu einem Massenspektakel verkommen?

Diese Zahlen vermitteln ein zu krasses Bild. In den letzten Jahren haben wir durchschnittlich knapp 300 SängerInnen und etwa 1000 nicht vortragende ZuschauerInnen. Dennoch ist die Tendenz natürlich nicht zu verachten, dass sich immer weniger teilnehmende Gruppen anmelden und auf allen Ebenen Leute gesucht werden, die sich in der Vorbereitung oder zB als Ordner beteiligen, während die normalen „nur“-Zuschauer-Karten innerhalb kurzer Zeit ausverkauft sind.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Hamburger Singewettstreits?

Ich wünsche mir, dass den Zuschauern klar wird, dass ohne Helfer und vor allem Mitsingende der Singewettstreit eine leere Hülle ist, die in sich zusammenfallen wird. Nicht nur das, ich wünsche mir darüberhinaus, dass diese Zuschauer daraufhin einen leichten Tritt in den Allerwertesten verspüren, sich mit ihrer Gruppe aufzuraffen und sich irgendwie zu beteiligen. Sei es als Ordner, als Mitsänger, als Filmer, als Liederbuchgrafikhelferlein, als Pausenband, als Fotograf, im Vorbereitungskreis… es gibt so viele Bereiche, in denen man sich engagieren kann und hinterher stolz sagen kann: ich hab beim Hamburger Singewettstreit mitgeholfen!

Zum Abschluss: Was würdest du sagen, warum man zum Hamburger Singewettstreit fahren soll?

Nirgendwo auf der Welt kann man so viele Pfadfinder und Wandervögel und Jungenschafter auf einem Haufen treffen, die sich nur zum Singen treffen! Nirgendwo sonst kann man auf einer großen Bühne in einer großen Stadt (der tollsten noch dazu!) den Zuschauern und sich selbst zeigen, wie viel Spaß es macht zu singen!

Danke für das Interview.

Von:

WoHei kam als Spätberufener zum Christlichen Pfadfinderbund Saar. Heute lebt er in Köln, von wo aus es ihn häufig nach Norden zieht. Dort ist er unter anderem als Crewmitglied auf dem bündischen Segelschiff Mytilus unterwegs. Er fotografiert, schreibt und denkt für schwarzzeltvolk.de

4 Kommentare zu Quo vadis HaSiWe – Ein Interview mit flina

  • Vielleicht macht es auch Sinn, die Teilnahmebedingungen einmal mehr kritisch zu hinterfragen. Einiges mutet da doch sehr bürokratisch an und wurde in der Vergangenheit – meiner Erfahrung nach – auch so gehandhabt.

    Ich kennen Gruppen, die da nicht mehr auftreten wollen, weil sie etwa im Vorentscheid laut Jury brillierten, im Endausscheid dann aber trotz hervorragender musikalischer Leistung mit dem letzten Platz quasi disqualifiziert wurden, weil ihr Lied dann doch nicht zu 100 % dem damaligen „Motto“ entsprochen hatte.

    Die besondere Bewertung chorischen Singens in der Singerunden-Kathegorie ist m.M.n. ein Anachronismus. Da ist mir in der ganzen Szene nur eine wirklich gute Gruppe bekannt, die sich noch darauf „spezialisiert“ hat. Die räumt dann halt auch immer und immer wieder ab. Auch dafür gibt es dann wieder gute Gründe, sie schreiben oder vertonen ja auch Eigenes. Vielleicht sollte man die Rücksichtnahme auf den nostalgischen Wert des chorischen Singens für vergreiste Liederbuchautoren auch mal ad acta legen… Nicht jeder der eine Frisur wie einen Helm trägt darf sich wie ein König aufführen ;-) . Heute wird nun mal anders gesungen als in den 60ern.

    Oder eine Gruppe, die sich nicht als Singerunde begreift, in der offenen Kathegorie antritt und letztlich (eigentlich nicht wegen sondern trotz der Teilnahmebedingungen) abgstraft wurde, weil sie eben nicht den Comedy-Kasper gegeben haben, der in HH in der Offenen ja so beliebt ist – wiederum trotz unbestreitbarer Qualität der Darbietung.

    Eine Gruppe wird es sich auch zweimal überlegen, ob sie sich anmeldet, wenn ein Mitglied etwa wegen etwas späterer Anreise nicht im Vorentscheid mit auf der Bühne stehen kann, dann in der Endausscheidung mitsingt – und die Gruppe dadurch disqualifiziert werden kann. Bestimmt gab es mal einen triftigen Grund dafür, diese Regelung einzuführen, aber dass man sowas nicht evtl. im Einzelfall mit der Jury abklären kann ist schon… bürokratisch eben. Ich habe es oft erlebt, dass etwa Berufstätige oder anderweitig Verhinderte erst kurz vor den Auftritten bei den jeweiligen SiWes ankommen.

    Auch dass Bonuspunkte für Selbstgeschriebenes nur dann Berücksichtigung finden, wenn darauf bereits bei der Einreichung der Lieder im Vorhinein hingewiesen wird, erinnert mich doch eher an einen Verwaltungsakt als an einen lebendigen Singewettstreit jugendbewegter Gruppen.

    Ich erinnere mich auch eine intensive, aber folgenlose Diskussion über die Frage der Aufnahme und Vewertung durch das bündische Audio. Zumindest zu Lebzeiten von fränz konnte man nun wirklich nicht behaupten, dass es sich um unkommerzielle Verwertung gehandelt hat – fränz hat vom Verkauf der CDs gelebt – und überaus kaufmännisch vermarktet, um das mal so auszudrücken. Über das alles könnte man auch hinwegsehen, wenn wenigstens die allgemein übliche Praxis Anwendung finden würde, dass die singenden Gruppen wenigstens ein Belegexemplars der Aufnahmen ihres eigenen Gesanges, oft ihrer eigenen Liedschöpfungen erhalten würden. Das verstößt schon regelrecht gegen die guten Sitten. Vom Kunsturheberrecht ganz zu schweigen.

    Zu guter Letzt:

    Ich würde nicht in Panik verfallen, wenn es mal nicht das Audimax ist, wenn man mal keinen Vorentscheid gibt, wenn sich so eine Veranstaltung auch mal „gesundschrumpft“. Soll ja bei anderen Sängerfesten auch schon geklappt haben ;-)

  • ich persönlich finde auch den instrumenten-heck-meck ungünstig. mal geht das, mal das andere. und am ende muss man definieren, ob das eigene akkordeon klein, mittel oder schon groß ist und damit entweder benutzt werden darf oder nicht … keine regelung oder nur „alles was kein strom braucht“ wäre doch ok.

    zu zwei punkten von jesko:

    – gut, das man das selbstgeschriebene/selbstvertonte für bonuspunkte der jury vorher mitteilen muss. das macht nämlich seit neuesten „das lied haben wir voll doll selber geschrieben und die ersten 10 stimmen sind von uns“ satz, der jede ansage unsäglich macht in zukunft unnötig. da man die liedblätter sowieso lange vorher abgibt, sollte das auch kein problem sein.

    – die aufnahmen machte doch aber fränz schon seit ende der 90er nicht mehr, wenn ich mich recht entsinne, sondern der hamburger seitdem selbst!?
    ein belegexemplar wäre sicherlich eine schöne sitte, passiert auf mir bekannten kleineren singewettstreiten aber auch nicht.

  • Ich kann mich in die Kritik meiner Vorgänger einreihen.
    Ich hab vor einigen Jahren mit einem Singekreis teilgenommen und wir sind von fünf Singekreisen als einzige nicht in die Endausscheidung gekommen. Jetzt kann man sagen, ich sei eine schlechte Verliererin, das stimmt auch! Allerdings wurde uns damals gesagt, dass wir gleich gut mit den Plätzen 3 und 4 gewesen wären, aber nun mal einer rausfliegen musste. Das war frustrierend. Ich hab mich gefragt, warum man da die Regeln so streng auslegt und nicht einfach alle fünf Singekreise ins Audimax lädt, wenn die Qualität doch angeblich stimmt. Vielleicht hat das damals die Jury auch einfach schlecht kommunizert, für mich war es jedenfalls ein Grund nicht mehr anzutreten, und soweit ich weiß, ist vom Rest der Truppe auch keiner mehr in Hamburg aufgetaucht.

  • ich für meinen teil bin in den letzten jahren u.a. nicht aufgetreten, weil zum einen menschen aus meiner singegruppe sich weigern wegen besagten und weiteren gründen nach hh zu fahren und zum anderen diese „nur einmal auf der bühne“-regelung mir/uns regelmäßig striche durch die rechnung gemacht hat. auch dieses jahr werden wir als boyband nicht auftreten können, da mancher schon mit bund und stammm auf der bühne stehen wird und das hat schließlich vorrang.
    schade, schade… aber solange leute als gummibärchen verkleidet auf der bühne rumhüpfen sind wir ja alle für entsprechende ausfälle engagierter sängerInnen entschädigt.

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