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Wie man sich zum Affen macht und sich einen Bären aufbindet – Eine Polemik zum bündischen Rucksack

Foto: Katze

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern – und wenn der Frühling kommt, ist es bekanntlich Zeit, sich in die ledernen Hosen zu stopfen (was aber kaum noch einer tut, seit die Zimmermannshosen in der Szene in Mode sind) und den Affen aus dem Schrank zu kramen (für die Uneingeweihten: das ist ein i.d.R.  fellbespannter Armeetornister, der sich in der bündischen Szene immer noch einiger Beliebtheit erfreut).

Aber ganz ehrlich: Den Affen aus dem Schrank zu graben? Ist das klug?

Wie man sich zum Affen macht, oder: Schmerz ist unsere Ästhetik

Aus der Sicht der Trekking-Fachverkäuferin lautet die klare Antwort: Nö. In punkto Ergonomie und Tragekomfort spricht nun wirklich nichts für den Affen, und wer das Gegenteil behauptet, hat noch nie einen ordentlichen Trekkingrucksack von einem Profi auf seinen Rücken angepasst bekommen. Affen belasten beim Tragen ausschließlich die Schultern, und können damit bei Heranwachsenden sogar Haltungsschäden verursachen, genau so wie zu schwere Schulranzen das können. Für den Affen gilt ganz klar: „Schmerz ist unsere Ästhetik!“

Auch das Material des Affen lässt aus funktioneller Sicht Einiges zu Wünschen übrig: Fell, Lederriemen und Holzgestell sorgen für ein hohes Eigengewicht des Tornisters. Ein gut erhaltenes Fell ist zwar stark wasserabweisend. Aber es wird immer schwieriger, einen Affen zu finden, bei dem Fell und Leder noch in Ordnung sind. Kein Wunder, kamen die Dinger doch kurz nach dem zweiten Weltkrieg aus der Mode und wurden nur noch in der Schweiz ein paar Jahre länger produziert. Doch auch die letzten Schweizer Affen haben jetzt ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel – und Leder und Fell haben eben nur eine gewisse Halbwertszeit. Die Zeit der Affen neigt sich ihrem Ende zu. Trotzdem gibt es immer noch Menschen, die stur an ihm festhalten. Warum bloß?

Die meisten Bündischen, selbst eingefleischte Affenfans, bestreiten gar nicht, dass ein gut sitzender Trekkingrucksack aufgrund seiner genialen Lastübertragung auf den Hüftknochen viel bequemer ist als ein Affe, vor allem bei Gewichten ab 12kg. Im Wesentlichen sprechen daher nur zwei Argumente für den Affen:

1. die Tatsache, dass man mit Affen lernt, sich auf das Notwendige zu beschränken

2. der Stil

Zu Punkt eins kann ich hier nur sagen: Das stimmt. Vielen Trekkingrucksackträgern würde es echt mal ganz gut tun, sich mal mit dem Platzangebot eines Affen zurecht finden zu müssen, damit sie lernen, dass man auch ohne Titan-Espressomaschine und mit nur zwei T-Shirts leben kann. Also: ein echtes Argument für den Affen (und seinen nächsten Verwandten, den Fahrtenbären, aber dazu später mehr).

Im Übrigen: Wenn man sich tatsächlich auf das Notwendigste beschränkt und in einer Gegend unterwegs ist, die regelmäßiges Nahrungseinkaufen und Wasserholen erlaubt, kriegt der Affe auch niemals ein Gewicht, bei dem er gefährlich unbequem werden könnte. Allerdings schränkt man sich dann bei der Auswahl der Fahrtengebiete auf die zivilisierten Teile der Welt ein, oder aber man schleppt dann irgendwann doch mehr Gewicht, als noch bequem ist, im Affen herum. Da habe ich auch nichts dagegen, so lange der Träger die Alternativen zum Affen kennt und sich gut informiert für’s Affenschleppen entschieden hat. So richtig sauer werde ich aber, wenn ich mitkriege, dass ahnungslose Pimpfe mit 20kg-Affen auf Großfahrt geprügelt werden.
Das passiert leider in der Affenfraktion immer noch viel zu oft, und nicht selten sind dann irgendwelche selbsternannten bündischen Hortenführer da auch noch stolz drauf. Deshalb habe ich auch oft Bauchweh, wenn ich das Argument höre, der Affe lehre, sich auf das Notwendige zu beschränken.

Kommen wir zur Stilfrage: Was ist mit „Stil“ überhaupt gemeint? Die historische Tradition des Affentragens in der bündischen Jugend? Die ist gar nicht mal so alt, wie manch einer denken mag. Die alten Wandervögel gingen entweder mit einem Segeltuchrucksack oder einer umgehangenen Rolle auf Fahrt, der Affenrolle nicht unähnlich, aber wohl eher vom „Charlottenburger“ der wandernden Handwerksgesellen abgeleitet.
Zwischen den Kriegen tauchten dann die ersten Affen neben den Segeltuchrucksäcken auf. Aber erst nach dem zweiten Weltkrieg tritt der Affe in der bündischen Szene in Massen auf. Es herrschte Mangelwirtschaft, und da nahm man mit auf Fahrt, was man eben zu Hause hatte – und das war halt der Affe als Kriegsveteran. Stilistische Überlegungen spielten dabei wohl eher eine untergeordnete Rolle. Gleichzeitig aber wurde in Massen fotografiert, und damit bildeten sich „Sehgewohnheiten“ in der bündischen Szene. Man erkannte sich jetzt an der Kohte, der Juja, der Lederhose (auch ein Erbe der 50er Jahre) und eben auch dem Affen. Mit der historischen bündischen Jugend der 20er Jahre hat der Affe jedoch wenig zu tun.

Mag sein, denkt jetzt der Affenfan, das macht aber einen Trekkingrucksack auch nicht ästhetischer. Die Dinger sind meist schreiend bunt und aus Kunstfaserstoffen gewebt. „Ih, Plastik!“ denkt sich da der waschechte Bündische, steigt aus seinem Kunstfaser-Schlafsack, zieht seine Juja mit 20% Polyamid über den Kopf und bindet sich die Goretex-Wanderschuhe an die Füße, setzt seinen ollen Affen auf den Rücken, und wundert sich dann, dass die glatzköpfigen Jungs in der Regionalbahn ihn begrüßen und sich über seinen „HJ-Rucksack“ freuen. Hm. Naja, Ästhethik ist halt subjektiv, da kann man nicht wirklich dagegen argumentieren.
Also: lassen wir die Vernunft und damit die Trekkingrucksäcke mal mal bei Seite und bleiben bei der Affenästhetik.

Lasst euch doch einen Bären aufbinden!

Wer nun auch nach wochenlangem Suchen bei Ebay und auf den Flohmärkten keinen ordentlichen Affen mehr finden konnte, aber bei der Ästhetik bleiben will, interessiert sich vermutlich nun für einen „Fahrtenbären“. Das ist ein dem Affen nachempfundener Tornister, den der Pfadfinderbund Nord bzw. Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenarbeit mit dem Postsackhersteller Gartex aus Sachsen-Anhalt entwickelt hat, um einen Kompromiss zwischen Affenstil und Trekkingrucksackfunktionalität hinzukriegen, und dem absehbaren Tod des letzten Affen durch Materialermüdung vorweg zugreifen..

Das Fahrtenbär-Material ist zwar auch ein Baumwolle-Kunstfasermix, aber wenigstens unifarben schwarz. Außerdem kann ihn auch in einer Sonderanfertigung mit Fell kriegen. Damit gewinnt er eindeutig Stilpunkte gegenüber dem Trekkingrucksack.

Der Fahrtenbär hat darüber hinaus gepolsterte Schulterriemen, ein verstellbares Tragesystem und einen Hüftgurt. Dafür fehlt ihm der Tornisterrahmen des Affen, aber wer vermisst den schon, das wog ja nur und hat ohnehin nichts gebracht. Es gibt den Bären zudem in zwei unterschiedlichen Rückenlängen (löblich!), eine für Personen bis ca. 1,80cm Körpergröße, eine für längere Menschen. Das alles gibt Punkte für Funktionalität.

Er trägt sich damit zwar eindeutig besser als das unerträgliche Original, aber längst nicht so gut wie ein ordentlicher Trekkingrucksack. Denn man merkt dem Fahrtenbären deutlich an, dass der Hersteller nicht vom Rucksackbau kommt und trotz mehrfacher Nachbesserungen immer noch Lernbedarf besteht. Gartex hat scheinbar versucht, das uralte Lowe Alpine „Paralux“-System zu kopieren, dabei aber leider die Schultergurte falsch herum am Rückenteil befestigt, so dass die Schulterriemen oben vom Rucksack weg in Richtung Rücken des Trägers kippen, weil sie keine obere Befestigung am Tragesystem haben. Auf Dauer schneidet (mir zumindest) das Tragesystem zwischen den Schulterblättern ganz unangenehm ein, weil es nicht am Tragesystem anliegt, wie sich das eigentlich bei einem solchen System gehört. Der Hüftgurt ist auch nur eine bessere Stabilisation, für eine echte Lastenübertragung auf die Hüfte ist er viel zu weich.  Das ist dennoch immer noch besser als gar kein Hüftgurt, aber für Lasten über 15kg nur sehr eingeschränkt geeignet.

Für Menschen, die im Kreuz nicht so empfindlich sind wie ich, mag das alles angehen, der perfekte Kompromiss zwischen Stil und Technik ist der Fahrtenbär nicht – jedenfalls noch nicht, man soll ja nicht ausschließen, dass der Hersteller noch dazu lernt und aus einer noch recht fehlerhaften Kopie vom „Paralux-Tragesystem“ noch eine gute macht. (So schwer und so teuer ist ja nun nicht, die obere Führungsschnalle der Riemen anders herum anzunähen und eine weitere Befestigungsschnalle oben am Tragesystem des Fahrtenbären einzubauen.) Den Fahrtenbären kann man übrigens entweder direkt beim Hersteller beziehen oder zur Zeit auch beim Ausrüster Eschwege. Allerdings ist er im Vergleich zu den Flohmarkt- und Ebaypreisen eines Affen recht teuer: der kleine Fahrtenbär kostet knapp 140,-, der große 150 EUR. Für das Geld kriegt man jedoch auch einen akzeptablen Trekkingrucksack – ohne Konstruktionsfehler.

Das Beste aus zwei Welten

Es gibt noch einen zweiten Kompromiss zwischen Affe und Trekkingrucksack, der aber genau genommen keiner ist, sondern einfach eine Kombination aus beidem. Man nehme seinen Affen und baue die Trageriemen ab. Dann gehe man in einen Trekkingladen und kaufe eine sogenannte „Lastenkraxe“. Lastenkraxen haben einen sehr stabilen Hüftgurt und ordentlich dick gepolsterte Trageriemen, weil sie für den Transport von schweren und auch unförmigen Lasten wie Expeditionskisten und Wasserfässern ausgelegt sind. Man gurte nun den Affen mit ein paar Packriemen hinten an der Kraxe fest und schon ist die Sache uneingeschränkt fahrtentauglich, echt bündisch in der Optik und dennoch super-funktionell. Unter den Affen passt sogar noch ein wasserdichter Packsack z.B. für Essen oder die Fotoausrüstung, um den Affen rum eine ordentlich fette Affenrolle – damit ist die Konstruktion selbst für Touren geeignet, bei denen man Essen und Wasser für mehrere Tage mitschleppen muss (was allerdings  das „Sich einschränken Müssen“ beim Affentragen komplett abschafft). Von hinten sieht’s aus wie ein ganz normaler Affe, von vorne wie ein ganz normaler Trekkingrucksack – fertig ist der beste Kompromiss zwischen Affenoptik und modernem Tragesystem, den man sich für Geld kaufen kann. Leider für viel Geld – denn Kraxen sind nicht ganz billig (ca. 170 EUR). Das Problem der Materialermüdung bei den Affen wird hiermit natürlich nicht gelöst.

Der alte tusk würde sich freuen: Fahrtenbär für Selbsterringende

Wer keine Kompromisse eingehen will, genau den Rucksack haben möchte, der auf den eigenen Rücken passt, exakt die richtige Schulterriemenform hat und in Preis, Farbe und Material genau das ist, was man gerne haben möchte, der findet im Netz eine Anleitung, wie man sich den eigenen Fahrtenbären nähen kann: http://www.jurtenland.de/files/fahrtenbaer_anleitung.pdf

Stefanie „Schirmchen“ Schirmer aus der CPD hat hier ihr eigenes Ding gemacht. Heraus gekommen ist der „Fahrtenbär ultralight“, aus technischen Materialien, ergonomisch geformten Gurten (und übrigens richtig herum angenähten Schulterriemen), einem Alu-Innengestell zur Stabilisierung des Rückens und der klassischen Affenform. Dagegen kann die Trekkingfachverkäuferin einfach nichts sagen, denn das Tragesystem entspricht einem normalen Trekkingrucksack, und nichts ist bequemer als auf die eigene Person zugeschnittene Schulterriemen und ein Hüftgurt, den man ganz nach Gusto und gewünschter Stabilität selbst voll stopft. Auch der alte tusk sollte damit zufrieden sein, denn Schirmchen ist weder einfach der bündischen Mode (oder vielmehr: dem Re-Enactment der 50er Jahre) verhaftet, noch hat sie ihrer Bequemlichkeit nachgegeben, sondern sich Gedanken gemacht und wahrhaft als „Selbsterringende“ eine ganz eigene Lösung gefunden. Ich finde, der Fahrtenbär im Eigenbau hat alles, was man will: Stil und Funktionalität – noch bündischer geht’s kaum. Wer so ein Ding nicht ultralight, sondern lieber in der Original-Affenoptik haben will, kann ja gewachstes Baumwollmischgewebe verwenden (kann man im Trekkingladen bestellen, z.B. den Rucksackstoff der Firma Macpac, der ohnehin einer der besten auf dem Markt ist) und meinetwegen auch ein Fell auf den Deckel nähen.

Wenn ich nicht so faul wäre und besser nähen könnte, hätte ich’s Schirmchen schon längst nachgemacht. So aber bleibe ich bei meinem liebgewonnen Trekkingrucksack und wundere mich über die, die sich unbedingt mit ihrem Affen quälen wollen.

Von:

Chrissi stammt aus dem VCP Gau Tronje und arbeitet hauptberuflich für den BdP Berlin-Brandenburg. Sie hat in ihrem Leben schon lauter komische Jobs gemacht, darunter neun Jahre Trekking-Fachverkäuferin in einem größeren Outdoor-Laden, von wo eine gewisse Ausrüstungsaffinität und -expertise stammt. Sie schreibt die Rubrik "Chrissis Ausrüstungstipps".

17 Kommentare zu Wie man sich zum Affen macht und sich einen Bären aufbindet – Eine Polemik zum bündischen Rucksack

  • Guter Artikel und alle Möglichkeiten für ein Fahrtenrucksack sind aufgelistet. Ich selbst gehe mit Affen ohne Kraxe auf Fahrt. Das ändert sich aber bald, da ich eine alte Kinderkraxen umbauen werde. Ein Vorteil daran ist, dass diese Kraxen nicht so sperrig sind und man kann sie sich gut gebraucht bei ebay für weniger Geld ersteigern.
    Dennoch finde ich die Fahrtenbär Ultralight auch keine schlechte Idee. Wenn ich irgendwann mal zu viel Zeit haben sollte, mach ich mich vllt an die Arbeit eines eigenen.

  • Ein sehr schöner Artikel, der mir fast aus der Seele spricht. Besonderes den Abschnitt über die „Ästethik“ der sonstigen Ausrüstungsgegens find ich genial. Dennoch finde ich gibt es durchaus auch Trekkingrucksäcke, die nicht knall bunt und rein aus Plastik sind und die mit einem Fell vorne dran auch ästhetisch noch gerade so durchgehen.

  • Schon komisch, daß heute noch dieselben Schauergeschichten wie vor 20 Jahren erzählt werden. Und das obwohl heute mehr Pimpfe mit neuen Schuhen auf Fahrt gehen, die Trekkingrucksäcke oft falsch gepackt werden und weil es sich leichter Tragen lässt auch genauso oft zu schwer sind.
    Meiner Überzeugung nach sind es die Menschen selber die die Fehler machen. Wer nicht weiß wie man einen Rucksack richtig packt oder was man wirklich braucht, der wird auch mit einem Trekkingrucksack wenig Freude haben.
    Für mich persönlich gibt es nur einen einzigen Grund mit Affen unterwegs zu sein: Ich hab´ihn lieb und er ist Kult!
    Er ist nicht praktisch, er ist nicht schön, er ist nicht neu, er riecht nicht gut, er ist nicht wasserdicht, er ist nicht so haltbar, er ist nicht bequem, er ist nicht flexibel, er ist alt.
    Hundertmal selbst repariert. Tausendmal verflucht. Oft ausrangiert und noch öfter wiederbelebt. Es gibt wenig an dem ich so sehr hänge wie an meinem Affen!

  • Ich wüsste noch einen positiven Aspekt der Affen.
    Ich habe in den letzten drei Jahren bestimmt 25 Affen aus der Schweiz „importiert“ zu je 45€. Für Eltern und Pimpf eine günstige Alternative zum Kinder/Jugend-Trekkingrucksack, den man nach ein paar Jahren ersetzen muss (weil rausgewachsen).

    • Jochen, Deiner Argumentation kann ich ganz und gar nicht zustimmen!
      Ist ein echt *tolles* Argument, dass der Pimpf nen billigen Affen bekommt – die späteren Kosten für kaputte Rücken zahlt dann ja die Gemeinschaft der Krankenversicherten. Echt ein *super* Argement!
      Ebenso kann ich dem „Herauswachsen“ nicht wirklich zustimmen. Mein Trekkingrucksack hat mir vom Sippenalter an etwa 15 Jahre getaugt. Den Nachfolger gab es nicht wegen der neuen Körpergröße, sondern weil der Rucksack einfach durch war…

      • Jochenn sagte:

        Hi Julian,

        um den Aspekt gings mir nicht. Und ja, ich habe den Artikel gelesen. Da ich in dieser Meinung aus dem Artikel zustimme hab ich dazu nichts gesagt.
        Ich wollte lediglich nochmal den Preis ins Spiel bringen.

        Jochenn

  • Joschko sagte:

    Eine sehr schöne Marke, die fantastisch entwickelte und (in meinen Augen) auch durchaus ansehnliche Rucksäcke herstellt, ist Fjell Räven.

    • Chrissi sagte:

      Ein Trekking-Rucksack, der dem einen Menschen gut passt, kann für den nächsten völlig unpassend sein, weil Riemenschnitt und Tragessystem nicht zum Rücken passen. Deshalb sind allgemeine Markenempfehlungen nicht sinnvoll. Nur Versuch macht klug. Und deshalb: ab in den Fachhandel (ein gut sortierter Trekking-Laden, nicht Wolfskin-Store und auch nicht Sportgeschäft) und verschiedene Rucksäcke (Marken und Preisklassen) mit einem realistischen Gewicht bepackt anprobieren. Ob er wirklich passt, merkt man übrigens erst ab ca. 15kg, Männer sollten sich ruhig 18kg reinpacken lassen.

  • Ein wahrhafter und guter Artikel. Übrigens den Holzrahmen haben wir früher schon aus dem Affen entfernt um Gewicht zu sparen.

    Bewegte Jugend darf nicht altbacken und fortschritts- feindlich sein. Das hätte der „alte Tusk“ am wenigsten gewollt. Weiterentwicklung vielleicht mit Stil ist doch möglich. Die Erkenntnisse liegen vor.

  • Hallo,
    jeder soll natürlich mit dem Rucksack auf Fahrt gehen, der ihm gefällt.
    Es gibt aber immer verschiedene Sichtweisen auf ein Thema. Allgemein wird immer wieder behauptet, dass ein Rucksack oder Turnister, der über die Schultern getragen wird schädlich und ein moderner Rucksack mit Hüftgurt gesund sei.
    Das sind aber unbewiesene Behauptungen. Unbestritten sind die modernen Rucksäcke zunächst mal bequemer. Aber heisst das auch, dass sie weniger schädlich sind? Ein schöner tiefer weicher Wohnzimmersessel ist im ersten Moment auch viel bequemer, aber nach längerem Sitzen verursachen sie häufig Rückenschmerzen.
    Kann man das auf Rucksäcke übertragen? Meine ehrliche Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Aber was weiß man denn?
    „…Affen belasten beim Tragen ausschließlich die Schultern, und können damit bei Heranwachsenden sogar Haltungsschäden verursachen, genau so wie zu schwere Schulranzen das können…“
    Dies ist eine häufig gehörte Behauptung. Bewiesen ist sie nicht, die einzige wissenschaftliche Untersuchung der Sporthochschule Köln zu dem Thema kommt zu genau dem gegenteiligen Ergebnis. Schulranzen verursachen keine Haltungsschäden, sondern es ist eher sogar gesund, wenn man ein paar Minuten am Tag eine schwere -Schultasche trägt. Das lässt sich sicher so nicht übertragen, denn den Affen tragen wir ja den ganzen Tag. Aber es zeigt, dass es nicht in jedem Fall Haltungsschäden verursachen muss.
    Dann zum Hüftgurt. Dieser wird immer als eine gute Lösung angeprisen. Die Hüfte ist aber gar nicht zum Tragen von Lasten geeignet. Die Wirbelsäule hingegen schon.
    Beim Gehen machen die Hüftknochen eine dreidimensionale Bewegung. Sie bewegen sich vor und zurück und gleichzeoitig aufwärts und abwärts. Wird diese Bewegung gestört – und selbst die Belastung mit Gewicht ist eine Störung, selbst wenn die Beweglichkeit nicht eingeschränkt wird. Diese Störungen belasten das ISG-Gelenk und könnten im Extremfall selbst schwere Rückenschmerzen verursachen, die nur schwer zu beheben sind.
    Wohlgemerkt könnten. Ich will hier nicht behaupten, dass das alles so sei, möchte aber darauf hinweisen, dass auch hier Zweifel erlaubt sind.
    Das Fazit ist, dass es sich nicht einfach so belegen lässt, dass der Affe schädlich und der Hüftgurtrucksack gesund ist.
    Bleibt die Frage also auch zukünftig eine Glaubensfrage.

    Viele Grüße, Gjorde
    Physiotherapeut mit Bachelor der Hogeschool Limburg, NL

  • Chrissi sagte:

    Hallo Gjorde,
    wie du ja schon sagtest: die wissenschaftliche Datenlage für die medizinischen Vor- und Nachteile der beiden Tragevarianten ist dünn. Ich kann für eine Beratung deshalb nur auf meine eigene Erfahrung als Fahrtteilnehmerin und meine Ausbildungsgänge in den 9 Jahren als Trekkingsfachverkäuferin zurück greifen und nach bestem Wissen und Gewissen entsprechend beraten. Wobei ich durchaus einräume, dass meine Ausbildung ja auch vom Willen der Trekkiingrucksackindustrie gefärbt sein kann, Trekkingrucksäcke zu verkaufen. Schon möglich.
    Nur: bisher haben meine eigenen Erfahrungen und die der Fahrtteilnehmer, mit denen ich unterwegs war, immer gut in das Bild dessen gepasst, was mir die Ausbildung vermittelt hat. Und Rucksackbauer wie Greg Lowe haben ja ihre Trekkingsrucksacksysteme vor allem deshalb entwickelt, weil das verfügbare Material (dazu gehörten immer schon militärische Tornister) ihren eigenen Ansprüchen als Bergsteiger und Langstreckenwanderer nicht genügt hat. Ihre Lösungen erscheinen mir bis heute gut durchdacht und plasusibel, vor allem aber tragen sie sich gut, wenn sie ordentlich passen. Man kann es nicht oft genug sagen: ein Rucksack muss vor allem zum eigenen Rücken passen, ebenso wie ein Schuh zum Fuß passen muss, sonst gibt’s ganz sicher Probleme.
    Aber ich behaupte ja auch gar nicht, dass ein Affe bzw. Tornister immer problematisch ist. Wem er gut passt, der soll ruhig damit laufen. Kritisch wird’s erfahrungsgemäß erst dann, wenn’s schwerer als 12 kg wird. Was eine Untersuchung mit Schultornistern überhaupt nicht erfasst haben dürfte…
    Übrigens: Der Hüftgurt unterstützt eine gerade Rückenhaltung und überträgt die Last von der Wirbelsäule weg über die Hüfte auf die Beine (was, wie du als Physiotherapeut doch vermutlich bestätigen wirst, jede Rückenschule als die schonendere Tragevariante empfiehlt). Deine Argumentation dazu verstehe ich leider nicht. Sie entspricht auch nicht dem, was ich als Patientin von meinen eigenen Physiotherapeuten gehört habe und überrascht mich jetzt sehr. Aber vielleicht reden wir da ja einfach aneinander vorbei. Grüße, chrissi

  • Die Nachfolger des Schweizer Armee Tornisters sind durchaus zu gebrauchen. Der Rucksack Mod.58 hat verstellbare Ledertrageriemen die durch Bundeswehr Überziehpolster recht gut aufzuwerten sind.Am Becken stütz sich der Rucksack über einen durch einen Metallstreifen gespannten Gurt ab.Die Riemen lassen ich ,durch zwei weiter kleinere Einstellriemen in der Neigung einstellen.Damit kann man die Last zwischen Schulter und Becken tarieren.Der Boden ist aus Leder und der Sack aus grünem Baumwollstoff, der sehr dicht und fest ist. Es lässt sich auch eine Affenrolle anschnallen. An dem Ding ist kein Gramm Plastik.Noch sind die Rucksäcke recht günstig, aber die Preise ziehen an.

  • Glasklar argumentiert. Nur, wenn es immer nur um Funktionalität vs. mythifizierter Tradition geht, würde ich auch nicht in einem alten Haus wohnen, ein altes Auto fahren, einen Holzofen in der Stube haben und überhaupt bei den Pfadfindern sein. Braucht sich doch heute keiner mehr so zu quälen :)!

  • Update Oktober 2018: Der Ausrüster Eschwege hat einen neuen Fahrtenbären bauen lassen, und zwar diesmal bei Deuter: Ihr findet ihn hier: https://www.ausruester-eschwege.de/Pfadfinderausr%C3%BCstung/Fahrtenb%EF%BF%BDr/Der-Fahrtenb%C3r::47445.html?XTCsid=0145758734ea19c8d704c4f04a12dfc5
    Ich durfte ihn bereits vorab testen, meine Kritik am Fahrtenbären hier ist damit hinfällig geworden: Dieses Tragesystem taugt etwas, Deuter kann sowas einfach bauen. Allerdings muss man immer noch mit dem Riemenschnitt von Deuter klar kommen. Es empfiehlt sich daher, vor der Bestellung einen auf ca. 12-15 kg beladenen Deuter-Rucksack mit VariQuick-Tragesystem (das ist z.B. die Deuter Aircontact Serie) zu testen. Bitte dabei beachten: Der Fahrtenbär ist ein recht kurzer Rucksack, also auch nur einen kleinen Aircontact Rucksack (bis max 50L) anprobieren. Viel Spaß damit!

  • Das Schöne an den alten Affen ist ihre „Urigkeit“ und ihre Unverwüstlichkeit. Ein ordentlicher Sattler kann sie zudem auch immer wieder mal reparieren. Ich ziehe die Schweizer Affen den deutschen aus den 1930ern vor. Zum einen sind sie stabiler (klar: Holzgestell!) und zum anderen geräumiger, es gibt sie ja ohnehin in 2 Größen. Hinzu kommt: die aus Leinen bestehenden deutschen Affen sind natürlich auch schneller mal kaputt. Fairerweise muß man aber auch sagen: die deutschen haben es im Krieg immerhin nach Rußland, Norwegen, Afrika und zurück geschafft – die Schweizer Affen hatten das Glück, niemals in einem Krieg eingesetzt worden zu sein. Stattdessen hatten die oft ein laues Leben im Depot oder sporadischen Dienst in gesunder Alpenluft.

    Aus rein praktischen Gründen spricht eigentlich nicht viel für die Affen: die Lederriemen ohne Polsterung, kein Hüftriemen, das relativ hohe Eigengewicht, kein körperangepaßtes Design, ein im Vergleich zum Rucksack kleines Volumen, weshalb man viele Dinge außen drauf schnallen muß. Dann etwas, das mich immer nervt: da auch der Rücken fellbesetzt ist, schwitzt man unter dem Affen wie ein Affe.

    Andererseits: um reine Praktikabilität geht es mir dann auch wieder nicht: eine Schlupf-Juja (die ja vorne nicht geöffnet werden kann) ist ja auch nicht unbedingt besonders praktisch; vermutlich gibt es auch Komfortableres als Lederhosen, GPS ist auch genauer als ein Kompaß, und wahrscheinlich sind auch manche Hemden aus irgendwelchem Hi-Tec-Zeug besser als Fahrtenhemden aus Baumwolle oder Leinenhemden. Ich mag sie aber trotzdem alle nicht.

    Bei Affen werde ich dagegen immer wieder schwach: es ist einfach diese Ästhetik: das Fell, das Leder, das alte schon muffige Segeltuch, die geflickten Stellen und das Bewußtsein, daß schon Generationen vor uns mit solchen Ungetümen herumgelaufen sind. Gut, auf längeren Touren nehme ich dann lieber einen der alten Schweizer Rucksäcke aus den 1950ern: entweder „Pfeffer & Salz“ aus Tuch oder die aus Lederol bzw. LKW-Plane. Auch keine Leichtgewichte, aber stabil und geräumig – und vor allem nicht so ekelhaft quietschbunt und neonhäßlich wie irgendwelche modernen Scheußlichkeiten aus Kunststoff. Sie sind eine gute Alternative zum Affen.

    Was nun den neuen FAHRTENBÄR angeht: Ich habe ihn mir gerade mal auf der verlinkten Website von Ausrüster-Eschwege angeschaut. Gut, vom Affen hat er das Prinzip, daß er ein „Frontlader“ ist und kein „Toplader“ wie ein Rucksack. Aber was sonst? Der alte Fahrtenbär von Gartex bestand wenigstens noch aus einem Baumwolle-Kunstfaser-Gemisch. Der neue hat nicht ein Fitzelchen Naturmaterialien: Baumwolle, Leinen, Leder: nichts. Ein kompletter Kunststoffsack aus Polyester. Und vor allem: Wo ist das Fell? Ein Affe bzw. ein Bär ohne Fell? Der alte von Gartex hatte wahlweise noch ein Fell, so daß er wenigstens optisch an den alten Affen anknüpfte. So sieht der neue Fahrtenbär dann doch eher aus wie ein beliebiger Kleinrucksack aus schwarzem Polyester, wie man sie jeden Tag dutzendfach in öffentlichen Verkersmitteln sieht, wenn jemand seinen Laptop in der U-Bahn zur Uni mitnimmt.

  • Mandali sagte:

    Toller Artikel, der mich an meine alte Fahrtenzeit zurückdenken ließ – natürlich waren wir die totale Affenfraktion (Deutsche Freischar) in den 80er Jahren, und es gab auch keine Isomatten sondern nur Schaffelle!! Und tonnenschwere Lederwanderschuhe.
    Immerhin hatten wir Schlafsäcke.

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